Stell dir vor, du willst in der Schweiz einen Brief verschicken – aber statt einer genauen Adresse reicht eine grobe Beschreibung wie „Der Bäcker in Meiringen“ oder „Hans, der auf dem Hügel wohnt“. Klingt verrückt? Doch genau so funktionierte die Schweizer Post früher tatsächlich – mit einem kuriosen System, das heute fast vergessen ist.

Wenn Adressen Nebensache waren
Bis ins 20. Jahrhundert hinein hatte die Schweiz in vielen ländlichen Regionen kein einheitliches Adresssystem. Statt Straßennamen und Hausnummern setzten die Menschen auf mündliche Überlieferung und lokale Bekanntheit. Jeder kannte jeden – und das galt auch für die Postboten. Sie wussten genau, wo „der Sepp mit den zwei Kühen“ oder „die Schneiderin am Bach“ lebte.
Das führte zu einem ungewöhnlichen, aber erstaunlich funktionierenden System: Briefe und Pakete wurden oft ohne konkrete Adresse zugestellt. Stattdessen reichten Hinweise wie „Beim Gasthaus zum Adler abgeben“ oder „Dem Schreiner mit dem grossen Hut“.
Das Chaos der Lochpost
Noch kurioser wurde es mit der sogenannten „Lochpost“, einem System, das sich in den Bergen hielt. Weil viele Alphütten keine festen Adressen hatten und oft umgezogen wurden, steckten Bauern und Hirten an bestimmten Stellen – meist Bäume oder Felsen mit Löchern – Nachrichten oder kleine Pakete für andere ein. So konnte man Nachrichten austauschen, ohne sich treffen zu müssen.
Das Ende der Adresslosen Zeit
Mit der Einführung moderner Postsysteme wurde es ab Mitte des 20. Jahrhunderts kompliziert. Die Schweizer Behörden entschieden, dass es so nicht weitergehen konnte. Nach und nach wurden Straßennamen und Hausnummern eingeführt, was in manchen Bergregionen aber erst in den 1980er-Jahren vollständig umgesetzt wurde.
Funktioniert das noch heute?
Tatsächlich gibt es immer noch Gegenden, wo Postboten ihre Kunden einfach kennen. In winzigen Bergdörfern wie Tschlin oder Gimmelwald sind formelle Adressen manchmal zweitrangig – denn die Post wird immer noch von Menschen zugestellt, die genau wissen, wer wo lebt.
Das zeigt: In der hochmodernen Schweiz gibt es immer noch ein bisschen Platz für die Eigenheiten der alten Zeiten. Also, falls du das nächste Mal einen Brief nach „Hans im kleinen Chalet mit der roten Tür“ adressieren willst – mit etwas Glück kommt er sogar an!