Anna Waser: das tragische Leben der ersten Schweizer Malerin

Königshäuser in ganz Europa staunten über ihre Kunst - doch dann schlug das Schicksal erbarmungslos zu.

Sie malte den Zaren von Russland und die Königin von England – da war Anna Waser gerade mal 20 Jahre alt. Ein Jahrhunderttalent, ein Wunderkind, eine Malerin zu einer Zeit, als ein solcher Beruf für Frauen noch als undenkbar galt. Doch keine 15 Jahre später verstarb die Zürcherin am 20. September 1714 auf tragische Weise, ohne ihr volles Potenzial jemals ausgeschöpft zu haben.

Geboren wurde „Anneli“ als fünftes Kind in eine privilegierte Familie. Ihr Vater ist Amtsmann in Zürich und fördert, entgegen der damaligen gesellschaftlichen Gepflogenheiten, schon früh und vorbehaltslos die Talente seiner Tochter. Das Mädchen wird nach Winterthur zum Maler Johann Sulzer geschickt, wo sie ihre Fähigkeiten weiter verbessert, doch schon bald kann ihr Sulzer nichts mehr beibringen.

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So wechselt Anna in die Schule des renommierten Künstlers Joseph Werner nach Bern. Es bedarf für die Bewerbung eines zweiten Anlaufs, da Werner zunächst nicht glauben kann, dass die von Waser eingesendeten Werke tatsächlich von einer 12-Jährigen stammen. Sie ist – wenig überraschend – die einzige weibliche Studentin in Werners Akademie.

Im Alter von gerade einmal 13 Jahren vollendet Anna Waser das Selbstportrait „Anno 1691“, dessen Virituosität schon bald über die Grenzen von Bern hinaus für Aufsehen sorgt. Zurück in Zürich malt der Teenager Auftragsarbeiten für Miniaturen und Kalligrafien, selbst der russische Zar Peter der Grosse und Englands Königin Anna wollen ihr Antlitz von der jungen Zürcherin verewigt sehen.

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Im Alter von 21 Jahren wird Anna Waser auf Schloss Braunfels von Hessen gerufen, wo sie als Hofmalerin für den Grafen Wilhelm Moritz von Solms-Braunfels fungieren soll. Ihre Eltern erlauben die Reise, weil ihr Bruder bereits vor Ort als Hauslehrer amtet. Als dieser jedoch weiter in die Niederlande zieht, muss auch Anna wieder die Koffer packen und zurück nach Zürich.

Ihre Mutter ist inzwischen schwer erkrankt und es liegt an Anna, sie zu pflegen, die übrigen Kinder zu erziehen und ihren Vater zu unterstützen – auch finanziell durch weitere Auftragsarbeiten. Künstlerisch wird sie dadurch jedoch kaum noch gefordert. Langsam droht Anna in eine Depression verfallen. Dann aber wagt sie 1708 einen letzten grossen Befreiungsschlag.

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Sie sendet ihre Autobiografie und Arbeitsproben auf den Weg für das Künstlerlexikon von Joachim von Sandrart, einem einflussreichen Kunsthändler und Verleger. Doch dieser verstirbt noch im selben Jahr und Annas Hoffnung auf den internationalen Durchbruch als gefeierte Kunstmalerin zerschlägt sich. Oder doch nicht?

Zwei Jahre später erreicht Waser in ihrem Zuhause an der Zürcher Münstergasse 19 der Brief des berühmten französischen Malers Jean-Antoine Watteau. Der stilbildende Künstler lädt die junge Frau nach Paris ein – doch als sie voller Freude den Brief ihrem Bruder zeigen will, stürzt Anna und verstirbt wenig später an den Folgen ihrer Verletzungen.

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Vom so umfassenden Werk von Anna Waser bleibt nur sehr wenig erhalten: Einige Portraits in Silberstifttechnik überleben, ebenso ihr Hauptwerk „Anno 1691“, das heute im Kunsthaus Zürich hängt. Der Rest verschwindet im Sand der Geschichte, ebenso ihre Autobiografie, die sie 1708 Joachim von Sandrart geschickt hatte.

Jahre später verfasst ihre Nachfahrin Maria Waser den Roman „Die Geschichte der Anna Waser. Ein Roman aus der Wende des 17. Jahrhunderts“. Zwar keine effektive Biografie, zeichnet die historisch recherchierte Erzählung doch den Lebensweg von Anna Waser nach, deren Laufbahn so revolutionär wie tragisch war. Hier kannst du dich in das Buch einlesen.

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