Sie war die erste Ärztin der Schweiz: Wie Marie Heim-Vögtlin unser Land für immer veränderte

Dieser starken Frau haben die Schweizerinnen und Schweizer so einiges zu verdanken.

Gemäss Bundesamt für Statistik studieren aktuell knapp 150’000 Menschen an Schweizer Hochschulen – etwas mehr als die Hälfte davon sind Frauen. Doch nicht immer standen die Türen unserer Universitäten dem weiblichen Geschlecht offen und als zum ersten Mal eine Schweizerin diese Barriere durchbrach, war der Skandal gross. Besagte erste Frau war Marie Vögtlin. Am 7. Oktober 1845 im Aargauischen Bözen geboren. Schon früh bewies die Pfarrerstochter ihre Ambitionen und half als junge Frau im Brugger Kinderspital aus. Nachdem sie bereits heimlich mit dem Selbststudium begonnen hatte, schrieb sich Marie mit Unterstützung ihres Vaters 1868 erfolgreich als erster weiblicher Student für Medizin an der Universität in Zürich ein.

Bereits einige Jahre zuvor war es vereinzelten Frauen erlaubt, Vorlesungen der Fakultät zu besuchen – ein europaweites Novum. Als erste Medizinstudentin überhaupt schrieb sich die Russin Nadeschda Suslowa zwei Jahre vor Vögtlin ein, doch erst als auch eine Schweizerin die Uni-Aufnahme gelang, machte sich die öffentliche Empörung im ganzen Land bemerkbar. Zeitungen schrieben gegen das Vorhaben Vögtlins an, allgemein war man der Auffassung, das weibliche Geschlecht sei viel zu schwach, um die Anstrengungen eines Studiums bewältigen zu können. Doch die damals 23-jährige Aargauerin bewies schon alsbald eindrucksvoll das Gegenteil.

ETH-Bibliothek, Bildarchiv

Die zielstrebige Schülerin schloss das Studium erfolgreich ab, legte ausserdem als erste Frau der Schweiz ihre Maturaprüfung ab – erneut musste auch hier ihr Vater seinen Einfluss geltend machen, damit seine Tochter zugelassen wurde. Doch der Bildungsdurst der jungen Marie war damit noch längst nicht gestillt: In Leipzig und Dresden liess sie sich als erste Europäerin zur Fachärztin für Geburtshilfe und Frauenkrankheiten ausbilden und erhielt schliesslich 1874 an der Universität Zürich den doctor medicinae: Die Schweiz hatte ihren ersten weiblichen Doktor.

SRF

1875 eröffnete Marie Vögtlin ihre medizinische Praxis in Zürich und heiratete den Geologieprofessor Albert Heim. Nach vorherrschendem Recht benötigte sie die Erlaubnis ihres Gatten, um ihren Beruf weiterhin ausüben zu können. Zudem erhob Heim auch keinen Anspruch auf Maries Verdienst – auch wenn damit teilweise private Schulden seiner Familie beglichen wurden. Die Praxis von Dr. Heim-Vögtlin florierte schon bald, bei ihrer ausschliesslich weiblichen Kundschaft war sie sehr beliebt und glänzte durch hervorragende Arbeit. Und auch nach der Geburt ihrer beiden Kinder blieb Marie beruflich ambitioniert.

ETH-Bibliothek, Bildarchiv

Erfolgreich verband Marie Heim-Vögtlin in den folgenden Jahren die Doppelbelastung einer erfolgreichen Ärztin und engagierten Mutter und Hausfrau. Zudem setzte sie sich vehement für die Gleichstellung der Frauen ein und forderte beispielsweise – entgegen den Ansichten ihres Ehemannes – das Stimmrecht für die weibliche Bevölkerung. Am 11. Juli 1899 (auf den Tag 25 Jahre nach ihrer bestandenen Doktorprüfung) legte sie schliesslich den Grundstein zum Zürcher Frauenspital, sowie der Schweizerischen Krankenschwesternschule und leitete nach der Fertigstellung die Kinderabteilung.

Schweizer Post

Marie Heim-Vögtlin verstarb am 7. November 1916 im Alter von 71 Jahren nach einer  Lungentuberkulosen und wurde auf dem Zürcher Friedhof Sihlfeld beigesetzt. In den folgenden Jahren wurden mehrere Strassen nach ihr benannt, beispielsweise beim Triemlispital. Zudem wird jährlich der Marie-Heim-Vögtlin-Preis vom Schweizerischen Nationalfonds vergeben, mit dem Wissenschaftlerinnen gefördert werden. Und schliesslich erschien 2016 zum 100. Todestag eine limitierte Sonderbriefmarke – eine verdiente Ehre für eine Frau, die das Gesicht der liberalen Schweiz entscheidend geprägt hat.

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