Pizza Pioniergeist: Wie Italiens kulinarisches Geschenk die Schweiz eroberte

Stellt euch vor, es ist 1954 und ihr spaziert durch Zürich. Der Duft von frisch gebackener Pizza liegt in der Luft – eine Sensation, denn was ihr da riecht, ist die Geburtsstunde der Pizza in der Schweiz. Hinter diesem Wunder steht ein Mann namens Salvatore. In der Pizzeria Napoli an der Zürcher Sandstrasse zaubert er am offenen Feuer die ersten echten Pizzen des Landes. Mit einer südländischen Freude wirbelt er die Knetmasse durch die Luft, belegt sie kunstvoll mit Käse, Fischen, Oliven und was das Herz sonst noch begehrt, während das Knistern des Pinienholzes im Backofen die perfekte Backtemperatur verspricht.

Damals, in den mittleren 50ern, als Süditaliener in die Schweiz auswanderten, angelockt von der Nachkriegs-Arbeitswelle, war Salvatore noch ein Exot mit seiner Pizza. Und während er vielleicht auf kulinarischer Ebene noch fremd im Land war, fand seine Kunst schnell Anklang. Denn seien wir ehrlich, wer kann schon dem Charme einer echten neapolitanischen Pizza widerstehen?

Die Schweiz hatte kulinarisch gesehen zu dieser Zeit noch nicht viel mit Italien am Hut. Ein Inserat in der „Schweizer Illustrierten“ von 1956 versuchte sich an einer „Pizza“ – Blätterteig, Gruyère oder Schachtelkäse und Tomatenpüree. Nicht ganz das, was unser Pionier Salvatore unter Pizza verstand. Doch Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, und die italienische Küche bahnte sich langsam, aber sicher ihren Weg in die Herzen der Schweizer.

Als dann 1965 die Pizzeria Santa Lucia eröffnete, die erste ihrer Art in Zürich mit einem echten Holzofen, begann ein neues Kapitel. Die NZZ lobte das Lokal für seine Spezialisierung auf wenige, authentische Gerichte und das schlichte, unprätentiöse Interieur. Keine „folkloristischen Spielereien“, sondern echte italienische Gastfreundschaft und Qualität.

Die Pizzeria Santa Lucia bot eine Auswahl an Pizzas – von der einfachen Margherita bis hin zu Varianten mit Sardellen, Peperoni, Knoblauch, Kapern, Schinken oder Salami. Ein kulinarisches Angebot, das damals noch Erklärungsbedarf hatte, aber heute aus der schweizerischen Gastronomieszene nicht mehr wegzudenken ist.

In den folgenden Jahrzehnten etablierte sich die italienische Küche fest in der Schweiz. Pizzerien schossen wie Pilze aus dem Boden, und der Pasta-Konsum kletterte in ungeahnte Höhen. Italienische Feinkostläden, einst Treffpunkte für heimwehkranke Auswanderer, wurden zum festen Bestandteil des schweizerischen Alltags.

Heute, über sechs Jahrzehnte später, ist die Pizza ein fester Bestandteil der schweizerischen Esskultur. Auch wenn ein Salvatore hinter dem Ofen eine Seltenheit geworden ist, lebt sein Erbe fort. Die Geschichte der italienischen Küche in der Schweiz ist eine Geschichte der Integration, der kulinarischen Innovation und nicht zuletzt eine Liebesgeschichte zwischen zwei Kulturen.

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